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Serie Multimedia-Tutorial RGMP (11): Eine gute Geschichte in Bild und Ton erzählen

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journalism-wordleDies ist die elfte von mir übersetzte Folge von Mindy McAdams’ “Reporter’s Guide to Multimedia Proficiency”. Diese Folge heißt im Original RGMP 11: Tell a good story with images and sound.

In der  zehnten Folge ging es um den Umgang mit Soundslides, einem einfachen Programm für Windows oder Mac, mit dem man aus Fotos und Audioaufnahmen Diaschauen für das Netz produzieren kann. In dieser Folge geht es um die Kriterien, nach denen man beurteilen kann, ob es sich lohnt, eine bestimmte Geschichte in Form einer Slideshow zu erzählen – mit Fotos und Audio – und wie man sie aufbauen sollte, damit die Geschichte optimal wirkt.

Chuck Fadely vom Miami Herald hatte Recht, als er in seinem Kommentar zur zehnten (Original-)Folge RGMP schrieb:

Ziel sollte es sein, visuell orientierte Geschichten zu erzählen. Mit Audioaufnahmen, die das Bildmaterial ergänzen, und mit einem Rhythmus und einer Komposition, die dem Stück angemessen sind. Einen Ordner voller Bilder über eine schlechte Tonaufnahme zu kippen nützt niemandem.

Was wollen Sie erzählen?

Das ist vielleicht der häufigste Fehler, den Journalisten machen: Wir geben uns keine oder zu wenig Mühe, diese Frage zu beantworten.

Oft gehen wir zu einem Termin und unser (Print-)Bericht handelt dann davon, wer da war, was passierte und wer was gesagt hat. In der langen und ehrwürdigen Tradition des Geschichtenerzählens steht diese Form der Vermittlung ziemlich weit unten auf der Skala – es sei denn, das Ereignis war die Schlacht von Troja, (die allerdings auch ein wenig aufregender war als eine gewöhnliche Wohltätigkeitsveranstaltung).

Wenn Sie einen Bericht oder eine Reportage von einem Ereignis in Fotos und Audio produzieren wollen – was wollen Sie erzählen? Zusätzlich zu den Basics (Was passierte, wer war da) müssen Sie einen Eindruck von der Vor-Ort-Erfahrung vermitteln. Wenn es eine Party war, müssen Ihre Rezipienten die Musik hören können, das Klirren der Gläser, Stimmengemurmel und Gelächter. Wir müssen Leute tanzen sehen, falls getanzt wurde, und etwas von der Stimmung spüren. Oder von der Langeweile. Es muss einfach mehr sein als Schnappschüsse von Grüppchen für eine Society-Seite, alle von der gleichen Distanz und aus der gleichen Perspektive aufgenommen. (Hier ist ein gutes Beispiel von einem Schönheitswettbewerb: Bellezas Hispanas.)

Wenn der Termin optisch so ereignislos war, dass Ihre Fotos nur Leute zeigen, die sitzen und reden oder anderen beim Reden zusehen (zum Beispiel bei einer Podiumsdiskussion), dann macht es wahrscheinlich wenig Sinn, daraus eine Multimedia-Slidehow zu produzieren. Es wäre langweilig. Schreiben Sie lieber einen interessanten Bericht über die Inhalte der Diskussion.

Ein Feature handelt typischerweise von einer Person (oder mehreren Personen), die interessante oder ungewöhnliche Dinge tut. (Oft ist dies das Gleiche). Jemanden, der Briefmarken sammelt, aufzunehmen, vermittelt wahrscheinlich wenig Aktion oder Gefühle, aber vielleicht sind die Briefmarken sehr ungewöhnlich oder schön anzusehen. Eher in Frage kommt allerdings eine Hauptperson, die eine wirkliche Handlung vollführt — maßgefertigte Motorräder baut, bunte Glasfenster kreiert, mit Tieren arbeitet, etc.

Was wollen Sie vermitteln? Die Briefmarken sind außergewöhnlich – wenn man sie von ganz nah betrachtet. Der Typ, der die Motorräder baut, tut das, weil er es toll findet, wenn seine Kunden genau das Motorrad bekommen, von dem sie schon immer geträumt haben. Der Fensterglaskünstler hat eine Leidenschaft für Licht und Farben. Die Mitarbeiterin des Tierheims spricht mit jedem Hund und jeder Katze als wenn sie antworten könnten.

Sie müssen sicherstellen, dass Sie jeweils den interessantesten Aspekt vermitteln – das eine Element, das Ihre Geschichte heraushebt.

Wenn Sie rausgingen zu dem Termin für die Motorradgeschichte und dächten dabei: “Motorräder sind schöne Bildmotive”, dann wäre das okay. Aber wenn schöne Motorräder dann alles wären, was Sie zurückbrächten – dann hätten Sie keine Geschichte. Oder der Typ auf ihrem Tonaufnahmegerät sagt: “Warum ich das alles mache? Für das Leuchten in den Augen eines Kunden, der zum ersten Mal auf einer für ihn maßgefertigten Maschine sitzt” – wenn Sie die leuchtenden Kundenaugen nicht fotografiert haben, dann haben Sie keine Slideshow.

Sie können sehr einfach mit ihrer Kamera Dutzende von Momenten einfangen, in denen die Tierheimmitarbeiterin mit den Hunden und Katzen herumtollt. Aber das reicht nicht. Sie müssen sie bei ihren Alltagsroutinen begleiten. Sie müssen lange genug bleiben, so dass Sie mit Kamera und Mikrofon unsichtbar werden, die Protagonistin Sie vergisst und in ihre Routinen zurückverfällt. Das ist der Moment, wo sie beginnt mit den Tieren zu sprechen. Und der Moment, wo Sie Töne und Bilder einfangen, welche die wahre Geschichte erzählen.

Anfang und Ende

Die meisten Multimedia-Beiträge dauern zwei bis zweieinhalb Minuten. Sich auf diese Länge zu beschränken erfordert Disziplin. Sie müssen nicht nur wissen, was Sie erzählen wollen; Sie müssen auch erbarmungslos alles wegschneiden, das nicht Ihrem Ziel dient, genau diese Geschichte voranzubringen. Halten Sie es simpel. Versuchen Sie nicht, mehr als eine Geschichte in zwei Minuten zu erzählen.

Wenn Sie wissen, wie der Anfang und das Ende Ihrer Geschichte aussehen sollen, ist der Rest nicht schwer. Eine Slideshow, die stark beginnt, fesselt sofort. Ansonsten wird Ihr Publikum schnell ausssteigen.

Um einen klaren Weg einzuschlagen, müssen Sie Ihren geplante Schlussaussage fest im Blick haben. Sie müssen schon vor dem Schneiden des restlichen Materials genau wissen, worauf Sie hinaus wollen.

Das Ende kann die Geschichte entweder ruinieren oder oder auf eine höhere Ebene heben. Manchmal plätschert das Ende einfach so weg. Manchmal endet eine Geschichte zu abrupt oder zu willkürlich. Ein solides befriedigendes Ende einer Reportage oder eines Features hat zwei Teile: Höhepunkt (Climax) und Auflösung (Resolution). Das mag ein wenig überproportioniert klingen bei einer Zwei-Minuten-Geschichte. Aber wenn Sie in diesen Begriffen denken, werden Sie eine bessere Geschichte produzieren.

Der Höhepunkt ist das Ziel, zu dem Sie Ihr Publikum führen wollen – in einer direkten Linie vom Anfang. Der Höhepunkt ist nahe am Ende, aber anschließend müssen Sie noch eine Auflösung bieten. Das rundet die Geschichte ab und vermittelt ein Gefühl von Vollständigkeit. Die Auflösung ist die Kirsche auf dem Eisbecher.

Ein sehr gutes Beispiel ist Guitar Lessons at the Central Area Senior Center. Dies ist eine sehr simple Geschichte über einige ältere Frauen, die Gitarrenunterricht nehmen. Die Eingangszene ist stark und klar – Wir hören eine Gitarre spielen und sehen eine alte Frau, die mit ihrem Gitarrenkasten ins Auto steigt. Dann sagt, sie, dass sie sich immer schon für Musik interessiert habe, aber nie Zeit hatte ein Instrument spielen zu lernen.

Auf dem Höhepunkt der Geschichte sagt eine der Frauen: “Wir sitzen nicht bloß zuhause herum und schauen fern”, und eine andere sagt: “Nach der Pensionierung beginnt der schönste Teil des Lebens.” Wir sehen eine Frau, die mit einem breiten Lächeln im Unterrricht Gitarre vorspielt. Danach kommt die Auflösung: Wir hören, wie die Gitarrenschülerinnen singen: “I’m back in the saddle again”, und wir hören ein entzücktes Lachen von einer der Frauen.

Wir sehen, wie zwei Schülerinnen in ihr Auto einsteigen um nach Hause zu fahren. Es ist friedliche und fröhliche Szene, welche die Stimmung des Features noch einmal aufgreift und zum Ende trägt.

Der Mittelteil befördert uns auf klare und simple Wiese zum Höhepunkt. Wir sehen mehrere Schülerinnen im Unterricht. Wir hören, wie sie zusammen spielen und singen. Sie erzählen uns, warum sie den Kurs besuchen. Der junge Lehrer erzählt uns, warum er den Kurs unterrichtet. Wir sehen ihre Notenblätter und wie sie ihre Gebühren bezahlen.

Der Mittelteil erweitert die Geschichte, aber der Verlauf ist unvermeidlich, wenn der Anfang und das Ende feststehen.

Die technischen Feinheiten

Es braucht Zeit, genügend Material für eine Slideshow zu sammeln. Sie müssen lange genug vor Ort bleiben um etwa 200 Bilder zu machen (oder mehr). Sie müssen viele Variationen fotografieren (aus der Distanz, aus verschiedenen Winkeln, verschiedene Subjekte), und wesentlich mehr Details einfangen (extreme Nahaufnahmen), als Sie jemals für eine Printgeschichte benötigen würden.

Während die Zahl der Fotos in Richtung Exzess tendiert, ist es bei der Audioaufnahme genau umgekehrt. Betrachten Sie ein normales Interview als Generalprobe für das konzentrierte “echte” Interview, aus dem Sie dann die Audiosegmente auswählen. Entscheiden Sie, was Sie erzählen wollen, beginnen Sie mit einer neuen Audiodatei, und stellen Sie die Fragen, deren Antworten Sie verwenden wollen, noch einmal. Sagen Sie den Interviewten niemals, was oder wie sie antworten sollen – aber Sie können natürlich erklären, dass sie jetzt manche Fragen für die Audioaufnahme noch einmal stellen.

Wenn Sie zuviel Ton aufnehmen, bescheren Sie sich einen Haufen Extraarbeit. Als ich (McAdams) eine Slideshow über eine Gruppe von Zeitungsreportern in einem Videotraining-Workshop produzierte, wollte ich sechs Leute interviewen (ein Drittel der Gruppe). Ich wusste, dass die endgültige Fassung der Slideshow etwa zwei Minuten dauern würde (sie wurde  2:17 min. lang). Teilen Sie 120 Sekunden durch sechs Interviews und Sie werden feststellen, dass jedes Interview höchstens 30 Sekunden dauern kann. Deshalb entschied ich mich, jedem meiner Interviewpartner zwei Fragen zu stellen, und das erleichterte das Editieren der Aufdioaufnahme ungemein. Ich nahm ungefähr 25 Minuten Audiomaterial auf.

Nehmen Sie so viele natürliche Hintergrundgeräusche wie möglich auf. Stellen Sie sicher, dass Sie mindestens eine Minute Stille vor Ort (sie ist nicht ganz still) mit aufnehmen. Sie werden sie beim Editieren brauchen. Nehmen Sie alle Geräusche auf, die unmittelbar mit der Geschichte zu tun haben – zum Beispiel auch, wie der Motorradbauer sich mit einem Kunden unterhält.

Wenn Sie mit dem Editieren begeinnen, haben Sie Geduld. Akzeptieren Sie, dass dies ein repetitiver Vorgang ist. Sie können entweder mit den Fotos oder mit den Audioaufnahmen beginnen, aber Sie werden beide mehr als einmal bearbeiten. Legen Sie zunächst Anfang und Ende fest.  Suchen Sie jeweils passende Ton/Bild-Paarungen für Anfang und Ende aus.

Ein Schlüsselelement, um den Mittelteil zu gestalten, ist ein guter Mix aus verschiedenen Distanzen und Perspektiven. Fotografen nennen das Tempo. Es ist keine Zeitangabe (schnell oder langsam) in dem Sinne, dass die Slideshow zwei Minuten dauert, und einige Fotos für vier Sekunden und anderen für fünf Sekunden zu sehen sind, etc. Tempo bedeutet die Balance zwischen Nahaufnahmen, Weitwinkel, mittleren Einstellung und die Motivauswahl.  Zuviele Bilder aus mittlerer Distanz wirken langweilig. Zuviel Aufnahmen mit dem gleichen Bildaufbau ebenfalls. Jede Form von Wiederholung langweilt das Publikum – also vermeiden sie Wiederholungen rigoros.

Einer der besten Anleitungen zur Produktion von Audio-Slideshows, die je geschrieben wurde ist: How to make your audio slideshows better (engl.)

Musik verwenden

Es ist einfach, Musik zu verwenden, um zu kaschieren, dass Sie nicht genügend brauchbares Audiomaterial haben. Es ist eine bequeme Option vor allem für Reporter, die nicht genügend Wert auf Interviewführung und Reportagekunst legen. In vielen Fällen ist Musikunterlegung in einer journalistischen Slideshow unjournalistisch und ich würde mich dagegen entscheiden, wenn die Musik in der Geschichte keine Rolle spielt.

Erzähler

Ein Erzähler kann wunderbar sein, aber nur bei einem sehr gut geschriebenen Text und sehr guter Sprecherstimme. Es gibt kaum etwas Langweiligeres als vom Blatt abgelesener Erzählertext. Wenn die Subjekte ihre eigene Geschichte erzählen können, dann ermöglichen Sie ihnen das.

Texteinfügungen

Sie können Zwischentexte und einen Abspann wie bei Filmen in eine Slideshow einfügen, indem Sie JPG-Dateien importieren und an jeder beliebigen Stelle integrieren (wie zum Beispiel hier bei meiner Slideshow über eine Bücher-Signierstunde in Hanoi.) Stellen Sie sicher, dass die JPGs genau das gleiche Fomat haben wie ihre übrigen Aufnahmen, damit die Schrift nicht verzerrt wird.

Bildunterschriften

Viele Zuschauer schauen sich die Bildunterschriften gar nicht an. Aber diejenigen, die daran interessiert sind, erwarten Fakten und korrekte Informationen – nicht nur Wiederholungen dessen, was sie im Bild ohnehin sehen. Wie in Print sollten handelnde Personen mit vollem Namen genannt und mit einem weiteren Attribut beschrieben werden, z.B. Heimatstadt oder Beruf. Alle prominenten Personen sollten in den Bildunterschriften vollständig identifiziert werden.

Orts- und Zeitangaben

Ich bin immer wieder erstaunt, wieviele Audio-Slidehows keine Informationen über Ort, Zeit der Geschehnisse auf ihren Fotos liefern. Wenn ein Datum genannt ist, dann fehlt oft das Jahr. Denken Sie daran, das Internet ist kein Fischeinwickelpapier. Ihre Slideshow wird eine lange Zeit online stehen, also liefern Sie bitte den nötigen Kontext.

Anmerkungen:

Zusätzliche Tipps und deutsche Anleitungen habe ich (U. Langer) in der letzten Folge RGMP verlinkt und wiederhole hier noch einmal einige:

  • Ein gutes Beispiel dafür, was man mit Audio-Slideshows machen kann, ist die von Kai Schächtele produzierte Show vom Auftakt der Freischreiber-Lesetour in Berlin. (Auf das Foto klicken, um die Slidehow zu starten). Schächtele (freier Journalist und Vorsitzender des Verbandes freier Journalisten Freischreiber) hat zusammen mit Christian Frey z.B. auch diese schöne Slideshow über Sankt Pauli Fans produziert.
  • Rufposten (Blog von Matthias Eberl über multimediales Storytelling im Netz – Eberle bekam am 7. Dezember für diese Reportage über einen Szenekneipe den Reporterpreis verliehen)
  • Soundphotographer (Blog von Fabian Schweyher über Audio Slideshows, Flash-Journalismus, Multimedia und Storytelling im Netz)
  • Für die Zukunft (Bericht von M. Eberl über seine journalistischen Erfahrungen mit Audio-Slideshows im mediummagazin).

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